Ich fürchte, dieser Text wird ein Dreisatz. Mindestens. Aber das ist kein Problem. Denn es ist ein Blogbeitrag, das Thema steht fest – wenn auch die Überschrift ein bisschen vage ist. Vermutlich geht es um Schreibstile. Gucken wir mal … zuerst mal das Nächstliegende:
Meine Blogtexte

  • werfen Schlaglichter auf ausgewählte Themen
  • wollen informieren. Und unterhalten
  • ein bisschen was von mir zeigen: „Hallo, hier Mensch. Der tut was, will und fragt was, ärgert sich, hat was entdeckt …“ So etwa.
  • versuchen, sich ab und zu auch an SEO-relevanten Suchbegriffen zu orientieren
  • haben ein Publikum. Das interessiert sich für das Bücherschreiben, Selfpublishing, meine Dienstleistungen

Aus alledem entsteht der Stil meiner Blogbeiträge. Der ist:

  • meist gut gelaunt, den Leser/innen zugewandt
  • informativ
  • eher zu lang als zu kurz
  • darf auch mal nur Andeutungen machen, beispielsweise auf woanders Geschriebenes – wir sind online und wozu sonst  gibt es Links?
  • versucht, aus jedem Blogtext ein in sich geschlossenes Ganzes zu machen. Wenn das nicht gelingt, eröffne ich eine Serie – für so was gibt es in meinem Blog rechts Stichworte („tags“) – hier zum Beispiel das Schreibwissen.

Andere Blogtexte sind anders, haben einen anderen Stil, geben viel mehr Ratschläge. Oder sind kürzer.

Schreibstile und Genres

Und der angekündigte „Dreisatz“? Der entsteht, wenn es um das Bücherschreiben geht. Dazu fehlt noch eine Komponente: Es gibt ziemlich viele (Ex-)Journalist/innen, die – vor allem auch als Selfpublisher – jetzt Bücher schreiben wollen. Die haben mich zu diesem Beitrag hier inspiriert. Denn es ist doch so: Im Journalismus sind Genres und Stil so festgelegt, so von Leser/innen wie Schreibenden in sehr langer Praxis eingeübt, so differenziert definiert und traditionell gepflegt wie sonst kaum irgendwo. Klar: Das alles löst sich langsam auf, hat sich an vielen Stellen schon verflüchtigt, die ehemals klar getrennten journalistischen Formate gleichen sich mehr und mehr an. Aber: Es gibt noch immer

  • die manchmal brutal kurze Meldung
  • das gern fast unverschämt lange feature
  • den launigen Kommentar, die Glosse
  • das intellektuelle Feuilleton, gern voll mit schwer verständlichen Formulierungen
  • den  „gelehrten Leitartikel“

Traditionen und Schreibstil

Und es gibt den (aussterbenden) Traditionsjournalismus. Der rechnet mit einer Leser-Blatt-Bindung. Da kennt man sich. Zumindest kennt der Lesende den Schreibenden – begleitet der ihn doch seit Jahren schon jeden Morgen am Frühstückstisch … Ja: aussterbend, fast schon ausgestorben. Aber die Idee dahinter sitzt trotzdem noch in vielen Köpfen fest: Wir können uns auf einige gemeinsame Grund-Infos verlassen:

  • Wir kennen uns. Ein bisschen. Zumindest wissen meine Leser/innen, wo ich stehe, was ich mag, was nicht, worüber ich ich aufrege, was ich unterstützen will. Da genügt auch mal nur eine kleine Andeutung.
  • Wir haben eine Zeit lang gemeinsam gelernt, die Welt zu betrachten, haben ein ähnliches Wissens- und Bildungsniveau. Da muss nicht mehr alles groß erklärt werden.

In Blogtexten ist das ähnlich: Wir können sie abonnieren, kennen die dort Schreibenden, manchmal sogar aus der „realen Welt“. Aber: Im Hinterkopf haben wir dabei meist eher das Durchs-Netz-Zappen-Können, das Lesen mehrer Beiträge zum Thema. Den immer ähnlichen „Dialog“ am Frühstückstisch dagegen eher nicht. Man kennt sich vielleicht virtuell, diese „Beziehung“ ist aber meist nicht so treu wie der zur abonnierten Tageszeitung. Und vor allem: Stile, Genres, Formate sind alles andere als klar definiert. Jeder Blogger, jede Bloggerin kreiert eigene. Warum auch nicht? Blogs müssen, dürfen, sollten individuell sein. Denn das sind ja auch unsere Leser/innen – schließlich suchen sie sich die Blogs, die sie lesen wollen, sehr genau aus einer großen Zahl möglicher Angebote aus. Meist haben sie passgenau ähnliche Interessen, fast immer kennen sie sich mit den jeweiligen Themen sehr gut aus.

Manchmal staune ich …

So. Und jetzt will eine Journalistin, ein Blogger ein Sachbuch schreiben. Damit habe ich täglich zu tun. Und manchmal staune ich nicht schlecht:

  • Da werden im Buchmanuskript vage Andeutungen gemacht – gern auch mit einem Augenzwinkern
  • Da werden Dinge stillschweigend vorausgesetzt, die nicht mal ein Prozent der Leser/innen wissen können
  • unpassende Witze gemacht
  • Assoziationen aneinander gereiht, die nirgendwohin führen
  • kommt plötzlich ein „Ich“ (manchmal auch „Du“) ins Spiel, das nirgendwo definiert/beschrieben wurde
  • beginnen Bilder ,mit journalistischen Knalleffekten, die kaum länger als 20 Seiten durchgehalten werden können. Und dann? Was folgt auf den restlichen 100 bis 180 Buchseiten?

Mein „Dreisatz“ lautet also in etwa: Journalistisch schreiben zu können, ist wunderbar. Denn dafür mussten wir Journalisten ja wirklich mal eine Menge lernen: Formen, Formate, Stile. Viele Leser/innen haben sie mit uns gemeinsam gelernt, haben haben sich mit uns entwickelt. Blogtexte schreiben zu können, ist auch was Wunderbares: Wir sind freier als Journalist/innen, individueller, manchmal spielerischer, assoziativer. Unsere Leser/innen sind aber auch frei, können jederzeit „wegzappen“. Um sie halten zu können, müssen wir darum woanders „investieren“: In Witz, SEO oder Informationen zum Beispiel.
Und Sachbücher schreiben zu können? Das ist nochmal was komplett Anderes.

Mein „Dreisatz“ geht also gar nicht auf! Denn Schreiben ist eben nicht gleich Schreiben!

Schreiben ist nicht gleich Schreiben …

Wer gern ein (Sach-)Buch schreiben möchte, darf sich also nie darauf verlassen, dass das mit dem Schreiben schon klappen wird, weil man schließlich schon mal journalistisch und/oder Blogs geschrieben hat. Nein! Das funktioniert nicht! Jedes Buch muss bei Null starten – mehr oder weniger jedenfalls. Ja, Zielgruppen und deren Interessen lassen sich definieren, eine Leser-Ansprache kann entwickelt werden, der Buchaufbau hat nachvollziehbare, eigene Regeln – und der Buchmarkt auch. Ich rede hier aber vor allem von Stil, von Lesererwartungen, die vorausgesetzt werden können – oder eben nicht.

Jedes (Sach-)Buch hat und braucht einen eigenen Aufbau. Der entsteht aus dem, was erzählt/vermittelt werden soll. Da gibt es erst einmal so gut wie keine Formen, die vorausgesetzt werden können, nichts, worauf man sich berufen könnte. Außer: Der Buchaufbau muss in sich selbst logisch sein.

Selbst, wenn ich vielleicht schon das dritte oder vierte (Sach-)Buch geschrieben habe. darf ich ich mich nicht darauf verlassen, dass Leser/innen mich (noch) kennen: Andeutungen, Augenzwinkern oder Kumpelhaftigkeiten aller Art gehen darum ganz und gar nicht. Denn selbst, wenn ich „Stammleser/innen“ habe: Wann haben die das letzte Buch von mir gelesen? Haben sie überhaupt? Wie lang ist das her – und was wissen sie davon noch? Und: Bei wieviel Prozent aller potentiellen Leser darf ich so was voraussetzen? Verlinkungen entfallen natürlich auch. Also:  Ich muss bei Null beginnen.

Ähnliches gilt für die Aufbereitung  des Themas. Ein extremes Gegenbeispiel zum Bücherschreiben wäre – sagen wir mal – die Leserschaft von „theater heute“ in den 80er Jahren: Dort konnten und durften Journalist/innen bei einem Großteil problemlos voraussetzen, dass die meisten wussten, wovon die Rede war, wenn Namen wie Peter Zadek oder Claus Peymann fielen. Wofür sie standen, was sie zuletzt gemacht hatten …  In jedem Sachbuch dagegen müssen solche Dinge unbedingt erklärt werden. Ohne Wenn und Aber. Am besten so, dass selbst der erst vor einem Tag auf der Erde gelandete Marsbewohner es versteht. Zur Not mit einem Dreisatz …


 

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