Die Buchhandelskette Hugendubel hat vor kurzem mit der Eröffnung einer riesigen, neuen Filiale in Berlin den „Buchshop der Zukunft“ ausgerufen. Dessen wichtigste Besonderheit ist, dass es keine klassischen Abteilungen wie „Belletristik“ oder „Sachbuch“ mehr gibt, sondern nur noch „Themenwelten“. Ich glaube: Bald ist die Verwischung der Grenzen von Buchgenres perfekt. Einerseits ist das eine konsequente Entwicklung, denn diese Unterteilung ist schon sehr alt und „erfindet“ sich fast wöchentlich mit der Erstellung weiterer „Subgenres“ neu. Andererseits brauchen gerade Selfpublisher diese Unterteilungen dringend – vor allem, damit Leserinnen und Leser das für sie richtige Buch möglichst gut finden und (online) bestellen können. Hier geht es vor allem darum, die Enttäuschung von Kundinnen und Kunden zu vermeiden, die möglicherweise ein ganz anderes Buch als das bestellte erwartet haben. Das alles macht die Frage nach den Buchgenres so spannend. Und so wichtig.

Grenzen sind bei Buchgenres in ständiger Bewegung

Die Aufweichung der Grenzen von klassischen Buchgenres hat es natürlich schon immer gegeben: Ein Alfred Brehm beispielsweise sprengte die Grenzen der biologischen Tierbetrachtung schon 1863, als er sich fragte, wie Tiere wohl denken, fühlen und urteilen … ganz menschlich also, manchmal auch unter psychologischen Aspekten betrachtet. Trotzdem galt und gilt „Brehms Tierleben“ natürlich als Sachbuch im Genre Zoologie – und wird dort auch einsortiert. Kein Buchhändler der Welt wird dieses dicke Standardwerk viermal vorrätig halten, um es sowohl in seine Regale „Zoologie“, „Biologie“, „menschliche Betrachtungen“ und vielleicht noch „Psychologie“ einzusortieren.

Heute werden knapp 20 Prozent aller Bücher über Onlineshops verkauft, genauer gesagt: 18,8 Prozent – laut dieser Quelle, Tendenz steigend. Wie gut oder schlecht das ist, interessiert mich hier weniger. Wichtig ist mir: Online kann ich meine Buchtitel in mehr als einem Genre anmelden, also Zoologie UND Biologie, Sachbuch, Psychologie UND ‚allgemein Menschliches’ – wenn es diese Rubrik denn gibt. Damit haben sich meine Möglichkeiten zur Positionierung vervielfacht. Was für alle Selfpublisher erst mal eine tolle Nachricht ist.

Doch: Wenn ALLES möglich ist, welche Instrumente habe ich dann noch, um für mein Buchprojekt die richtige Wahl zu treffen? Da gibt es zwei denkbare Wege: Ich weite die Genregrenzen immer weiter aus. Für beide lassen sich zahlreiche Beispiele in dem – wie ich finde – ungeheuer mutigen Buch „Buchgenres kompakt: Handbuch der Genres von Actionthriller bis Zeitgeschehen“ von Anette Huesmann finden. Für mutig halte ich es eben wegen der ständigen „Grenzverschiebungen“. Sie listet da allein schon 98 Genres und Subgenres auf, die auch noch 198 Synonyme haben. Und vermutlich kommen jedes Jahr mindestens zwölf neue dazu …

Der andere Weg ist: Ich nehme mein Thema, mein Interesse, die ‚Botschaft‘, die ich mit meinem Buch vermitteln will, als Maßstab. Zu diesem Ansatz habe ich bei dem Pädagogen Heinrich Wolgast ein Zitat gefunden, das mir immer schon auf der Zunge lag. Nur hat er es perfekt formuliert. Und es gilt meiner Ansicht nach noch immer, obwohl der Mann seit fast 100 Jahre tot ist: „Aber es darf nicht vergessen werden, dass jeder Stoff eine Form verlangt, die ihm eigenthümlich ist.“

Sachbücher und Genres

Ich verstehe dieses Zitat so: Jedem Thema wohnt quasi seine Form schon inne. Kluge Autorinnen und Autoren denken also erst einmal über ‚ihren Stoff’ nach. Am deutlichsten wird das, wenn wir uns das mal für das „alte Sachbuch-Genre“ vergegenwärtigen. Dann tauchen vielleicht folgende Fragen auf:

  • Wie erklärungsbedürftig ist das, was ich sagen will? Also: eher Ratgeber oder Infotainment?
  • Brauche ich didaktische Lerneinheiten, um meinen Leserinnen und Lesern erst einmal das Verständnis für das beizubringen, was ich ihnen erzählen will? Wie unterhaltsam kann das sein, was ich zu erzählen habe? Kann ich möglicherweise bestehende Verständnishürden senken, indem ich etwa im Stil der „Sendung mit der Maus“ auch so was wie „Lach- und Sachgeschichten“ erzähle? Kann und darf ich mich dazu auf Augenhöhe mit meinen Leser/innen stellen? Oder brauche ich zwingend eine „dozierende Haltung“? (Im Zweifelsfall: nein! Besser nicht!)
  • Erzähle ich eine Art Entwicklungsgeschichte, beispielsweise darüber, wie ich eine Krise/Krankheit überwunden habe? Dann sollte ich mich nicht scheuen, ziemlich oft ‚ich’ zu sagen. Wenn mir das widerstrebt, erfinde ich besser gleich eine Figur, die das für mich übernimmt. Die muss ich aber mit Bedacht und sehr überzeugend zeichnen – denn sie erzählt ab jetzt alles, was ich sagen will.
  • Kann ich bei meinem Thema auf vorhandene Erfahrungen meiner Leser/innen zurückgreifen? Erzähle ich von etwas, das jede/r von uns zwangsläufig erlebt – zum Beispiel das Älterwerden? Dann sollte ich meine Leser/innen ‚mit ins Boot’ holen, sie an eigene Erfahrungen erinnern, ihnen Zeit und Raum lassen für eigene Gedanken/Reflexionen.
  • Ist ‚mein Stoff’ sehr abstrakt? Dann sollte ich möglichst viele Beispiele (er)finden: plastisch, nachvollziehbar, exemplarisch und gut verständlich. Gern auch mit einem Schuss Humor – wenn das Thema es erlaubt.

Sachkenntnis und individueller Zugang

Was ist mit meinem ganz individuellen Zugang zum Thema? Spätestens, seit das extrem individuell geschriebene „Ich bin dann mal weg“ wochenlang die Sachbuch-Bestenlisten anführen konnte, ahnen wir: Dem „erzählenden Sachbuch“ gehört die Zukunft! Das ist  zwar ein Buchgenre, zu dem nirgendwo eine allgemeingültige Definition zu finden ist. Es ist aber ziemlich klar: Sachwissen, die Erklärung von Sachverhalten PLUS der ganz individuelle Zugang zum Thema, beides so flüssig wie möglich erzählt – das ergibt in etwa das „erzählende Sachbuch“. Das funktioniert erstaunlich oft, dazu muss man gar nicht mal so prominent wie Hape Kerkeling sein. Völlig willkürlich ausgewähltes Beispiel: Ines Geipel – Umkämpfte Zone, Platz 5 der aktuellen Zeit-Sachbuchbestenliste. Aus der Kurzrezension: „Was hat die breite Zustimmung zu Pegida und AfD möglich gemacht? Das fragt die Autorin und ehemalige DDR-Leistungssportlerin Ines Geipel. Um Antworten zu finden, reist sie in die eigene Geschichte. Sie begleitet ihren schwer kranken Bruder auf dem letzten Abschnitt seines Lebens und prüft, was das Angst-und-Lügen-System DDR mit dem aktuellen Rechtsruck zu tun hat – und mit ihrer Familie.“ Ganz klar: ein sehr individueller Zugang, viel Sachkenntnis – und das von einer (zumindest in Westdeutschland) eher unbekannten Frau.

Noch deutlicher wird dieses Prinzip, denken wir an all die Bücher zu Themen wie Aussehen, Wunschgewicht, Abnehmen mit Brotbacken … Da sind locker Spitzenplätze in den Bestenlisten drin – und zwar von bisher völlig unbekannten Autorinnen und Autoren. Der „Trick“ dabei ist fast immer: Die eigene Geschichte ist fester Bestandteil des Inhalts, glaubhaft, authentisch, überzeugend und manchmal mit einem Augenzwinkern erzählt.

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Sie merken sicher schon: Bei Buchgenres ist weit mehr denkbar, als ich hier aufzählen kann… Ein netter Nebenaspekt aber ist: Wenn sich fast alle bislang bekannten Grenzen verschieben, ist die Nachfrage nach Rat groß. Und Ratgeber boomen zur Zeit ihrerseits! Doch auch hier gilt: Bei vielen steht das Wort „Ratgeber“ als Genrebezeichnung schon gar nicht mehr auf dem Titel, Ausnahme: „reine Ratgeber-Verlage“. Das hat vermutlich den Grund, dass Ratgeber vielen Menschen (mich eingeschlossen)  eher als altmodisch, altbacken und wenig attraktiv gelten … Auch hier scheint sich also gerade etwas zu verschieben.

Beide Aspekte sind wichtig!

Doch es wäre ein Irrtum, Buchgenres jetzt für eine völlig überholte Angelegenheit zu halten. Das sind sie nicht. Wir brauchen sie. Zur Positionierung, für den (Online-)Verkauf, manchmal auch für unser eigenes Selbstverständnis als Autor/in. In einigen Fällen können sie helfen, Inhalte besser zu strukturieren, uns selbst die richtigen Fragen zu stellen, Leser-Interessen eher auf die Spur zu kommen … Hier gilt: Je exakter wir das Genre definieren, desto präziser wird das Buch Leser-Erwartungen erfüllen können. Und das ist wichtig.

Andererseits suchen gerade im Sachbuch-Bereich Menschen nach Orientierung. Und kaum etwas funktioniert besser als die Orientierung am „lebenden Vorbild“. Mit anderen Worten: Nicht nur im eingangs erwähnten Buchshop, auch in den Buchinhalten spiegelt sich zunehmend der Wunsch nach möglichst lebensnahen „Themenwelten“ wieder. Und wer als Autor/in so zu denken beginnt, wird unweigerlich bestehende Genregrenzen sprengen. Ich vermute: Das ist ein Bedürfnis von Leser/innen wie von Autor/innen. Und daran zeigt sich durchaus auch das „Abenteuer“ der  Lese- wie der Schreib-Welt … Was nun auch wieder nicht schlecht ist.

In eigener Sache

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Die Trilogie des Eigensinns besteht bislang aus zwei Büchern – die sich ohne Probleme auch wunderbar getrennt voneinander lesen lassen. Macht durchaus Sinn, denn sie bilden zwar eine „Familie“, haben aber unterschiedliche Schwerpunkte. In „Mein Kompass ist der Eigensinn“ geht es darum, wie wir Eigensinn erkennen, ihn für uns entwickeln können. Aber auch darum, wo er seine Grundlagen hat, welche Vorbilder ich gefunden habe – und wie er uns helfen kann. Als Kompass zum Beispiel. Oder beim Schreiben von (eigenen) Büchern.
In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Aber auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch.
Beide Bücher auf einen Blick – und auch zum Bestellen – im Shop der Autorenwelt hier. Aber natürlich auch überall sonst, wo es Bücher gibt.


 

 

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