Ja: Selfpublishing ist mühsam, anstrengend, langwierig, kostet Zeit, Geld und Nerven. Es hat fast so viele Nachteile wie Vorteile … Das wissen Sie alles schon? Dachte ich von mir selbst auch, nicht zuletzt habe ich immer wieder Pro- und Contra-Listen „klassischer Verlag versus Selfpublishing“ geschrieben. Und doch … Manchmal erwischt es mich kalt.
Tatort Supermarkt: Bücher verramschen
Plötzlich SEHE ich im täglichen Leben etwas, das ich schon lang zu wissen glaubte. Zum Beispiel im Supermarkt. Halbvoller Einkaufswagen, auf dem Weg in die Gemüseabteilung … Dabei denke ich meist nicht sonderlich viel nach. Und stolpere plötzlich im wahrsten Sinn über eine ziemlich demolierte Kiste. Bei genauerem Hinsehen läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken: „Der arme Sebastian Fitzek! Ne, das hat er wirklich nicht verdient! Was er wohl denken würde, wenn er das hier sehen würde?!“ Siehe Foto … Das sind so gut wie alle Titel, die Fitzek je geschrieben hat.
Buchpreisbindung aufgehoben
Natürlich kann mein Supermarkt überhaupt nichts dafür … Für Buchmarktkenner ist die Sache klar: Hier hat vermutlich der Verlag von Fitzek die Preisbindung aufgehoben – ohne dieses aktive Eingreifen darf in Deutschland nämlich kein Buch zu einem anderen als dem einmal festgesetzten Preis verkauft werden. Nirgendwo, in keiner Form. Das ist die sogenannte Buchpreisbindung. Und die schützt uns alle: Selfpublisher wie kleine Verlage. Ohne die Buchpreisbindung bekämen wir überall nur Bücher zu Dumpingpreisen von den paar großen Verlagen, die sich die Präsenz in möglichst riesigen Läden, auf den größten Portalen leisten können: Quantität vor Qualität. Davon bin ich nicht nur überzeugt, ich habe sehr plastisch erlebt, wie das in Ländern vor sich gehen kann, in denen die Buchpreisbindung vorübergehend aufgehoben war. Wurde nicht selten bald wieder rückgängig gemacht … Mehr zum Thema beispielsweise hier.
Achtung, falscher Alarm! Oder: Was hat amazon damit zu tun?
Nach dem ersten Schreck habe ich mir die Sache näher angesehen … Denn es kam mir nicht ganz geheuer vor. Ausgerechnet ein Bestseller-Autor wie Fitzek?! Und dann gleich so gut wie alle Titel auf einmal in der Ramschkiste?!
Tatsächlich: Es war Fake, falscher Alarm!!! Die Bücher waren NICHT reduziert! Was in meinen Augen die Sache nur noch schlimmer macht. Denn da wird ganz klar mit der Unwissenheit von Konsument/innen gespielt. Ich habe online schon Kommentare oder Fragen von Menschen gelesen, die gern selbst schreiben wollen – sich also wenigstens mit den Buchmarkt-Grundlagen auskennen sollten … Tenor: Bei amazon sind Bücher billiger als anderswo. NEIN! Sind sie nicht! Ganz genau das verhindert die Buchpreisbindung in Deutschland nämlich. Und ich bin dafür sehr dankbar! Weil aber amazon so sehr den Ruf von Schneller-Billiger hat, glauben erschreckend viele Menschen, es gäbe Bücher dort preiswerter als woanders. Ich wiederhole: Nein, sie sind dort ebenso wenig auch nur einen Cent unter dem Ladenpreis zu haben als wenn sie in einer „Bücher-zum-kleinen-Preis-Kiste“ liegen. So leicht geht das bei in Deutschland erschienenen Büchen nicht.
Das gilt übrigens ganz genauso für Aldi und andere Geschäfte, von denen Kund/innen ganz besonders niedrige Preise erwarten …
Die Buchpreisbindung gilt für ALLE Bücher, die in Deutschland erscheinen, also auch für Selfpublishing-Titel, da gibt es überhaupt keinen Unterschied. Was im Selfpublishing aber wirklich ganz anders ist, das ist die Notwendigkeit, die Buchpreisbindung eines Tages aufzuheben. Warum tun Verlage das eigentlich?
Selfpublishing und Aufhebung des Ladenpreises
Bei der Beantwortung dieser Frage dreht sich fast alles um die Kosten von Lagerraum. Lagerraum ist teuer. Und nur fertig gedruckte Bücher brauchen Lagerraum. Selfpublishing-Titel nicht. Das ist eigentlich schon die ganze Antwort: Während „klassische Verlage“ es sich schlicht nicht leisten können, den Lagerraum für Hunderttausende von Titel in vielleicht dreistelligen Auflagen über mehrere Jahre hinweg zu zahlen, ist das im Selfpublishing ein Kostenfaktor, den es gar nicht gibt. Darum „verramschen“ die meisten Verlage selbst Besteller-Titel eines Tages – in aller Regel spätestens zwei Jahren nach Erscheinen. Was gar nichts mit der (inhaltlichen) Buch-Qualität zu tun hat. Allenfalls damit, dass da ein Autor oder eine Autorin erfolgreich zu sein scheint. Dann werden die Buchauflagen oft relativ hoch angesetzt – denn das senkt wiederum den Stückpreis pro Buch im Druckvorgang.
Doch niemand weiß, ob sich wirklich alle Exemplare verkaufen lassen, also müssen sie gelagert werden. Und das kostet. Früher oder später gilt dann nur noch: raus damit! Lagerräumungen funktioniert am besten, wenn es „Sonderangebote“ gibt, also: Ladenpreis aufheben und „verramschen“. Das ist nichts als eine wirtschaftliche Notwendigkeit für Verlage, um ihre „auf Vorrat“ gedruckten Bücher zu verkaufen. Und das Prinzip der Buchpreisbindung ist nun mal: Jedes Buch muss immer überall dort, wo es zu kaufen ist, exakt den gleichen Preis haben. Also: Erst, wenn der Preis aufgehoben ist, darf auch ÜBERALL „verramscht“ werden.
Für mich ist dies einer der dicksten Pluspunkte, die Selfpublishing hat: Diese schäbigen Wühltische sind bei Selfpublishing-Titeln schlicht unnötig!